Kultur im Allgemeinen und Kulturverhalten im Speziellen werden heute vermehrt mit Aspekten wie Lebensqualität, sozialer und politischer Partizipation und Wohlfahrt in Verbindung gebracht. Die Kultur beinhaltet verschiedene Aspekte, die für eine umfassende Wohlfahrtsmessung relevant sind. Einerseits kann sie – an der klassischen UNESCO-Definition angelehnt – sehr breit verstanden werden und bildet als materielles und immaterielles Kulturerbe Bestandteil des gesellschaftlichen Rahmens. Andererseits sind kulturelle Aktivitäten im engeren Sinne (wie z.B. an kulturellen Veranstaltungen teilnehmen oder eigene kulturelle Aktivitäten als Amateur betreiben) Teil der Wohlfahrtsdimension „Arbeit und Freizeit“ und tragen ihrerseits zur Stärkung des Humankapitals und des gesellschaftlichen Rahmens bei.
Der hier vorliegende Indikator „Kulturverhalten“ misst für die Schweizer Wohnbevölkerung die Besuchsquote gewisser relativ offen zugänglicher und/oder in ihrem Angebot vielfältigen Kulturinstitutionen (Museen; Bibliotheken) sowie die Ausübungsquote einiger kulturellen Aktivitäten als Amateur (Musizieren; Singen). Durch die Quoten wird nicht nur die kulturelle, sondern auch die soziale Teilnahme der Bevölkerung gemessen.
Stand 28. Dezember 2020
Die wichtigsten Ergebnisse
Museen sind diejenigen Kulturinstitutionen, die am meisten besucht werden: rund 70% der Schweizer Wohnbevölkerung haben in den 12 Monaten vor der Erhebung mindestens einmal ein Museum besucht. Bibliotheken werden von knapp 45% der Personen besucht. Die Besuchsquoten hängen stark vom Ausbildungsniveau (und in analoger Weise vom Einkommen) sowie vom Alter ab. Je höher die Ausbildung, desto grösser der Anteil der Personen, welche Kulturinstitutionen besuchen. Das Alter spielt eine unterschiedliche Rolle: Museen ziehen alle Altersgruppen unter 75 fast gleich stark an, während Bibliotheken von jüngeren deutlich mehr als von älteren Semestern besucht werden. Eigene kulturelle Aktivitäten auszuüben ist weniger verbreitet: Rund ein Fünftel der Bevölkerung singt, 18% spielt ein Instrument. Selber Musik machen hängt ausgeprägt mit der Ausbildung und dem Alter zusammen, während das Singen in der Bevölkerung gleichmässig verteilt ist und somit eher eine Ausnahme bildet.
Kontext
Das Kulturverhalten der Bevölkerung hängt sowohl vom vorhandenen Angebot wie auch vom soziodemografischen Profil der jeweiligen Bevölkerungsgruppen ab. Allgemein steigen in der Schweiz – wie auch im Ausland – die Besuchs- und Ausübungsanteile der verschiedenen Kulturinstitutionen bzw. der selber ausgeführten Kulturaktivitäten mit dem Ausbildungsniveau und mit dem Einkommen. Es gibt auch regionale Unterschiede: in der Deutschschweiz (mit wenigen Ausnahmen) sowie teilweise in städtischen Wohnkontexten ist das hier gemessene Kulturverhalten weiter verbreitet.
Dem Kulturverhalten kommt auch in der Schweiz eine vermehrte politische Bedeutung zu: auf Bundesebene sieht die durch das Inkrafttreten des Kulturförderungsgesetzes im Jahr 2012 gestärkte Kulturpolitik in der Erhöhung der Teilnahme der Bevölkerung am Kulturleben – und damit der sozialen Partizipation – eines ihrer Hauptziele, was seither auch in den periodisch herausgegebenen Kulturbotschaften des Bundes bekräftigt wird.
Vergleich mit subjektiven Daten
Die Daten aus der BFS-Erhebung 2019 zum Kulturverhalten erlauben es auch, subjektive Aspekte wie den Wunsch, mehr Kulturaktivitäten auszuüben, zu messen. Der Wunsch nach mehr Kulturbesuchen (Museen, Theater/Tanz, Konzerte, Bibliotheken, Kino) steigt – wie auch das Kulturverhalten selber – mit dem Ausbildungsniveau der Befragten, ist aber auch bei Personen in finanzschwachen Haushalten, bei Ausländern und bei Befragten mit Migrationshintergrund höher.
Internationaler Vergleich
Museen in % |
Bibliotheken in % |
Singen in % |
Musizieren in % |
|
---|---|---|---|---|
Schweiz (2019) | 71 |
43 | 21 |
18 |
Italien | 45 |
23 |
4 |
6 |
Frankreich | 49 | 30 | 16 | 10 |
Deutschland | 56 |
30 | 11 | 10 |
Österreich | 54 |
32 | 12 | 12 |
USA | -- |
-- | -- | -- |
EU (28 Länder) | 50 |
30 | 11 | 8 |
OECD - Total | -- | -- | -- | -- |
Tabellen
Methodologie
Die nationale Erhebung zum Kulturverhalten – die letzte des BFS zu diesem Thema – wurde 2019 bei einer repräsentativen (gewichteten) Stichprobe der Schweizer Wohnbevölkerung ab 15 Jahren durchgeführt. Sie wird alle fünf Jahre in dieser Form wiederholt.
Definitionen
Definition des Indikators
Entsprechend internationaler Standards wird die Ausübung einer Aktivität mindestens ein Mal in den 12 Monaten vor Erhebung gemessen. Die Kulturinstitutionen und -aktivitäten sind folgendermassen definiert:
- Museen: Besuche von Museen und Ausstellungen aller Art, inkl. Kunstgalerien.
- Bibliotheken: Besuche aller Art, sei es für Beruf/Ausbildung oder zu privaten Zwecken.
- Musizieren: ein Instrument spielen, allein oder in einer Gruppe/einem Ensemble
- Singen: eher regelmässig, allein oder in einer Gruppe, unabhängig des Rahmens
Publikationen