Das Sanktionensystem hat in den letzten Jahrzehnten tiefgreifende Reformen erfahren. Bei der Reform von 2007 ging es um die Zurückdrängung der Freiheitsstrafen unter 6 Monaten (bedingt und unbedingt). An ihre Stelle sollten die Geldstrafe und die gemeinnützige Arbeit treten. Die erneute Reform der Sanktionen von 2018 führte die kurzen Freiheitsstrafen hingegen wieder vollumfänglich ein. Das BFS hat in einer Publikation die Auswirkungen der Reformen auf die Rechtsprechung und auf den Strafvollzug untersucht, um zu evaluieren, ob die vom Gesetzgeber gesetzten Ziele erreicht wurden.
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Erwachsene
|
Urteile |
Verurteilte |
---|---|---|
Total1 |
103 156 |
93 693 |
Nach Geschlecht |
||
männlich |
* |
76 304 |
weiblich |
* |
17 389 |
Nach Gesetz |
||
nach StGB |
36 519 |
32 737 |
nach SVG |
54 423 |
51 769 |
nach BetmG (Handel) |
4 448 |
4 286 |
nach AIG |
15 355 |
13 585 |
Hauptsanktion2 |
||
Freiheitsstrafe |
14 523 |
* |
Davon bedingt |
6 598 |
* |
Geldstrafe |
88 354 |
* |
Davon bedingt |
71 569 |
* |
Nur Busse |
127 |
* |
Nur Massnahme |
74 |
* |
Auswirkungen der Reformen des Sanktionsrechts auf die Praxis
Das Ziel des Gesetzgebers, die kurzen Freiheitsstrafen zurückzudrängen, wurde 2007 vollumfänglich erreicht, da diese von gut 52 000 im Jahr 2006 auf weniger als 4000 im Jahr 2007 sanken. An ihre Stelle traten hauptsächlich die (bedingte) Geldstrafe.
Bei den bedingten kurzen Freiheitsstrafen blieben die Zahlen zwischen 2007 und 2017 konstant. Bei den unbedingten kurzen Freiheitsstrafen sah dies anders aus, denn sie erfuhren in den Jahren 2007 bis 2017 grosse Schwankungen. Nach einem starken Rückgang - gleich nach der Reform im Jahr 2007 -stiegen die Zahlen sehr schnell wieder an. Von 11 515 Verurteilungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von unter 6 Monaten im Jahr 2006 fielen die Zahlen im Folgejahr auf 3649, um dann bis 2013 wieder auf 9224 zu klettern. Dies bedeutete aber nicht eine Rückkehr zum alten System (d.h. zum System vor der Reform im Jahr 2007), sondern beruhte auf einem starken Anstieg von Verurteilten ohne B- oder C-Ausweis zu Beginn der 2010-Jahre. Geldstrafen und gemeinnützige Arbeit konnten bei dieser Bevölkerungsgruppe nicht immer vollzogen werden und wurden deshalb oft gar nicht erst ausgesprochen. Mit dem Rückgang dieser Kriminalität wurden auch wieder weniger kurzen unbedingte Freiheitsstrafen ausgesprochen.
Bei den Eintritten in den Strafvollzug hatte die Reform aber einen sehr bescheidenen Einfluss. Die gewünschte Entlastung des Strafvollzugs blieb trotz des spektakulären Rückgangs de kurzen unbedingten Freiheitsstrafen aus. Auch wenn ab 2007 viele Personen zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, wurde diese Strafe letztendlich in einer Strafvollzugsanstalt vollzogen, da die Geldstrafe nicht bezahlt wurde.
Die erneute Reform des Sanktionensystems von 2018, die die kurzen Freiheitsstrafen (bedingt und unbedingt) wieder vollumfänglich zuliess, hatte hingegen sehr viel weniger Einfluss auf die Art der Sanktionierung. Zwar werden wieder mehr bedingte kurze Freiheitsstrafen ausgesprochen, aber sehr viel weniger als vor der Reform 2007 (40 682 im Jahr 2006 gegen 874 im Jahr 2022).
Bei den unbedingten kurzen Freiheitsstrafen ist der Einfluss der Reform auch sehr gering. Nur bei den Schweizern zeigt sich eine vermehrte Verurteilung zu kurzen unbedingten Freiheitsstrafen. Dies liegt aber daran, dass im Rahmen der Reform im Jahr 2018 die gemeinnützige Arbeit als Strafe abgeschafft wurde. Die Schweizer, die zwischen 2007 und 2017 oft von diesem Sanktionstyp profitiert hatten, wurden in der Folge stattdessen vermehrt mit kurzen unbedingten Freiheitsstrafen bestraft.
Jugendliche
|
Urteile |
Verurteilte Personen |
Fremdplatzierte |
---|---|---|---|
Total |
20 797 |
17 589 |
976 |
Nach Geschlecht |
|||
männlich |
* |
13 331 |
870 |
weiblich |
* |
4 258 |
106 |
Nach Gesetz |
|||
nach StGB |
8 171 |
7 478 |
* |
nach SVG |
4 995 |
4 689 |
* |
nach BetmG |
2 891 |
2 635 |
* |
Hauptsanktion3 |
|||
Freiheitsstrafe |
988 |
* |
* |
Davon bedingt |
605 |
* |
* |
Persönliche Leistung |
6 258 |
* |
* |
Davon bedingt |
1 924 |
* |
* |
Busse |
5 688 |
* |
* |
Verweis |
7 379 |
* |
* |
Nur Massnahme |
19 |
* |
* |
Strafbefreiung |
465 |
* |
* |
¹ Bei den Erwachsenen werden nur Verbrechen und Vergehen berücksichtigt, weil Übertretungen nur in Ausnahmefällen in das Strafregister eingetragen werden.
² Pro Urteil wird eine Hauptsanktion festgelegt und nur diese wird in der Tabelle ausgewiesen. Dafür wurde eine Hierarchisierung der Sanktionen nach ihrem Schweregrad erstellt und immer nur die schwerste Sanktion berücksichtigt. Für Jugendliche wird als schwerste Sanktion der Freiheitsentzug erachtet, gefolgt von der Persönlichen Leistung, der Busse, dem Verweis, der Massnahme und schliesslich der Strafbefreiung. Für Erwachsene wird die Freiheitsstrafe als schwerste Sanktion erachtet, gefolgt von der Geldstrafe, der Busse und der Massnahme.
³ Bei den Jugendurteilen werden sowohl Verbrechen, Vergehen als auch Übertretungen berücksichtigt.
StGB: Strafgesetzbuch
SVG: Strassenverkehrsgesetz
BetmG: Betäubungsmittelgesetz
AIG: Ausländer- und Integrationsgesetz
Die Statistik der Jugendstrafurteile und des Jugendsanktionsvollzuges (JUSAS) und die Strafurteilsstatistik (Erwachsene) erlauben Auswertungen nach Verurteilung und nach verurteilter Person. Neben den Angaben zur Person stehen Informationen zu den Straftaten und zu den ausgesprochenen Sanktionen zur Verfügung.
Die JUSAS erfasst ab dem Jahr 2020 alle Jugendurteile, die aufgrund von Straftaten des Strafgesetzbuchs oder anderer Bundesgesetze mit Strafbestimmungen ausgesprochen wurden. Zudem werden alle Aufenthalte in einer Institution oder in einer Strafanstalt statistisch erfasst, wenn sie nach Jugendstrafrecht angeordnet wurden. Hierzu zählen Untersuchungshaft, vorsorglich angeordnete Schutzmassnahmen (stationäre Beobachtung, offene oder geschlossene Unterbringung), im Urteil ausgesprochene Schutzmassnahmen (offene oder geschlossene Unterbringung) und Freiheitsentzug. Für die Jahre 1999-2019 stehen Zahlen der Jugendstrafurteilsstatistik (JUSUS) zur Verfügung. Diese beschränken sich auf die Jugendurteile gemäss den wichtigsten Gesetzen.
Die Strafurteilsstatistik (SUS) weist alle in das Strafregister eingetragenen Verurteilungen von Erwachsenen aus, die aufgrund eines Verbrechens oder Vergehens ausgesprochen wurden. Übertretungen werden nicht berücksichtigt, da diese nur in Ausnahmefällen ins Strafregister eingetragen werden. Die Strafurteilsstatistik besteht in ihrer heutigen Form seit 1984.
Indikator für Kriminalitätsaufkommen
Die Zahlen der Strafurteilsstatistik der Erwachsenen und der Jugendstrafurteilsstatistik geben nur einen Teil der Kriminalität wieder. Viele Straftaten werden nicht bei der Polizei gemeldet, nicht alle werden aufgeklärt und abgeurteilt. Bei der Strafurteilsstatistik kommt hinzu, dass nicht alle Strafentscheide in das Strafregister eingetragen werden. Ergeht ein Urteil aufgrund einer schwerwiegenden Straftat (Vergehen oder Verbrechen), dann wird es grundsätzlich in das Strafregister eingetragen und somit in der Strafurteilsstatistik berücksichtigt. Handelt es sich hingegen um ein Strafurteil, das sich
ausschliesslich auf eine Übertretung bezieht, dann führt dies nur in den seltensten Fällen zu einem Strafregistereintrag. Die Strafurteilsstatistik deckt somit nicht alle Strafurteile ab, sondern nur diejenigen, die ein Vergehen oder ein Verbrechen enthalten. Unter welchen Bedingungen ein Urteil betreffend einer Übertretung eingetragen wird, ist gesetzlich in Art. 3 der Verordnung vom 29. September 2006 über das Strafregister (VOSTRA-Verordnung) festgelegt.
Beurteilung der Kriminalitätsentwicklung
Die VOSTRA-Verordnung wurde 1992 und 2007 revidiert. Die Änderungen hatten jeweils Einfluss auf die Anzahl ins Strafregister eingetragenen Verurteilungen. Eine Beurteilung der Entwicklung der Erwachsenenurteile über die Jahre 1984 bis 2015 ist somit erschwert. Aus diesem Grund wurde entschieden - insbesondere bei den Zeitreihen - nur die Urteile, die sich auf ein Vergehen und/oder Verbrechen beziehen, zu berücksichtigen.
Trotz der Beschränkung auf diese Strafurteile ist auch die Beurteilung der Kriminalitätsentwicklung über die Jahre mit den Daten der Strafurteilsstatistik nur beschränkt möglich. Das Anzeigeverhalten der Opfer kann sich mit der Zeit ändern und beeinflusst somit die Verurteilungszahlen. Weiter wird die polizeiliche Kontrollintensität je nach Prioritätensetzung erhöht oder gesenkt. Insbesondere im Bereich der Strassenverkehrs- und der Betäubungsmitteldelinquenz können solche Faktoren die Anzahl Verzeigungen und somit die der Verurteilungen beeinflussen. Zudem darf der Einfluss von Gesetzesrevisionen und neue Formen von Kriminalität nicht vernachlässigt werden.
Vollständigkeit der Daten
Strafurteile werden erst ins Strafregister eingetragen, sobald sie rechtskräftig sind. Dies kann - insbesondere bei schweren Straftaten - aufgrund möglicher Rekurse längere Zeit in Anspruch nehmen. Aus diesen Gründen dauert es mehrere Jahre bis alle in einem Jahr gefällten Urteile ins Strafregister eingetragen werden und in der Statistik erscheinen. Auch die Jugendstrafurteilsstatistik enthält nur rechtskräftige Urteile. Dies ist bei der Interpretation der Daten aus den jüngsten Erhebungsjahren insbesondere bei schweren Straftaten zu berücksichtigen.
Weiterführende Informationen
Tabellen
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