Geschlecht

Zwischen Frauen und Männern gibt es gesundheitliche Unterschiede, die sich nicht rein biologisch erklären lassen, sondern auch auf soziale Aspekte zurückzuführen sind. Die Berücksichtigung der sozialen Dimension des Geschlechts – der Genderdimension – in Analysen zur Gesundheit ermöglicht ein tieferes und umfassenderes Verständnis der Gesundheit einer Bevölkerung, da dadurch auch den gesellschaftlich bedingten Rollen und Verhaltensweisen von Frauen und Männern Rechnung getragen wird, die diese seit ihrer Geburt durch die Sozialisierung, d.h. durch soziale Riten, Familie, Schule und Kultur, verinnerlicht haben.
Insgesamt berichten Frauen häufiger von allgemeinen gesundheitlichen Beschwerden und funktionellen Einschränkungen, was auf eine schlechtere gesundheitsbezogene Lebensqualität hindeutet.

Geschlecht und Gesundheit
2017 (in %)

Männer

Frauen

Dauerhaftes Gesundheitsproblem

30,5

34,7

Einschränkungen seit mindestens 6 Monaten

22,3

28,0

Mindestens 1 chronische Krankheit

37,3

47,2

Hohe Energie und Vitalität

53,7

43,7

Einschlaf- oder Durchschlafstörungen

28,0

40,4

Einsamkeitsgefühl (manchmal, ziemlich häufig, sehr häufig)

31,5

41,5

Mittlere oder hohe psychische Belastung

11,7

18,3

Quelle: Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB)

Das Geschlecht als Gesundheitsdeterminante

Das soziale Geschlecht (gender) bezieht sich auf unterschiedliche soziale Haltungen, die zusammen «weibliche» und «männliche» Verhaltensweisen in Bereichen wie Arbeit (Erwerbsarbeit und unbezahlte Haus- und Familienarbeit), Freizeit oder Bildung prägen. Mit anderen Worten: Genderunterschiede entsprechen den unterschiedlichen Rollen und Verhaltensweisen, die durch die Normen und Werte der Gesellschaft beeinflusst sind, in der die Menschen leben.

Das biologische Geschlecht (sex) bezieht sich auf die biologischen Merkmale, die Frau und Mann unterscheiden: Genitalien, Chromosomen, Hormone. Das soziale Geschlecht beeinflusst die Gesundheit ebenso wie andere soziale Merkmale (Bildung, Einkommen, Beschäftigung, Familie, Herkunft usw.), wobei teilweise auch Wechselwirkungen auftreten. So gesehen ist das soziale Geschlecht eine soziale Determinante, die gesundheitliche Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern schafft.

Gesundheitszustand

Lebenserwartung

Die Lebenserwartung der Frauen bei Geburt ist vier Jahre höher als jene der Männer. Dieser Unterschied ist jedoch zu relativieren: Wird nur die Lebenserwartung in guter Gesundheit bei Geburt betrachtet, verringert sich der Unterschied zwischen den Frauen (71,7 Jahre) und den Männern (70,7 Jahre) auf ein Jahr, was zeigt, dass die Frauen die zusätzlichen Lebensjahre häufig mit gesundheitlichen Beschwerden verbringen. Darüber hinaus verringert sich die Differenz der Lebenserwartung bei Geburt tendenziell. Seit den 1990er-Jahren hat sich die Lebensweise der Frauen im Erwerbsbereich (Erwerbsquote, Beschäftigungsspektrum) wie auch in Bezug auf das Rauchen und den Alkoholkonsum jener der Männer angenähert. In der Folge leiden Frauen auch häufiger und früher an Krankheiten, die zuvor vor allem Männer betrafen (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen).

Schmerzen

Das Schmerzempfinden ist bei Frauen ausgeprägter: Sie berichten häufiger von Schmerzen im Verdauungstrakt, Kopfschmerzen oder Gelenk und Gliederschmerzen als Männer. Der Ursprung dieser Beschwerden ist teilweise mit psychosozialen Merkmalen der Lebensbedingungen wie z.B. Stress verbunden. Einige der geschlechtsspezifischen Unterschiede sind physiologisch bedingt, da die biologischen Mechanismen der Schmerzreaktion verschieden sind und manche Schmerzmittel bei Frauen und Männern nicht gleich wirken. Aber auch soziale Prozesse scheinen einen entscheidenden Einfluss auf geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Schmerzempfindlichkeit und bei der Schmerzreaktion zu haben. Mädchen und Knaben werden von der Kindheit an unterschiedlich sozialisiert (Knaben werden angehalten, stark und unempfindlich zu sein, während Mädchen häufiger ermutigt werden, auf ihren Körper zu hören und ihre Schmerzen und Gefühle zu äussern).

Gesundheitsverhalten

Übergewicht

51% der Männer und ein Drittel der Frauen sind übergewichtig oder adipös. Frauen sind zwar seltener übergewichtig, aber häufiger unzufrieden mit ihrem Körpergewicht als Männer (28% gegenüber 22%). Dieser Unterschied ist noch ausgeprägter bei den Personen mit Übergewicht (50% der Frauen sind unzufrieden, gegenüber 29% der Männer) und Adipositas (74% gegenüber 57%). Nebst den biologischen Aspekten, die das Gewicht beeinflussen, kommt das genderspezifisch geprägte Verhältnis zum Körper und zum Körpergewicht in einem unterschiedlichen Schönheitsideal zum Ausdruck. Bei den Frauen gilt ein schlanker Körper als Norm für Schönheit, aber auch für Gesundheit, bei den Männern ist es ein kräftigerer Körper, der positiv mit Stärke konnotiert wird.

Rauchen

Der Raucheranteil bei den Frauen und Männern nähert sich seit 25 Jahren tendenziell an: Zwischen 1992 und 2017 hat er sich bei den Frauen weniger stark verringert (–0,8 Prozentpunkte) als bei den Männern (–5,6 Prozentpunkte). Rauchen ist ein genderspezifisch geprägtes Verhalten, das in gewissem Umfang durch Geschlechternormen beeinflusst wird. So begannen Männer früher mit dem Tabakkonsum als Frauen und die gesundheitlichen Folgen des Rauchens wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Atemwegserkrankungen traten bei den Frauen entsprechend verzögert bzw. erst in jüngster Zeit auf. Die genderspezifischen sozialen Normen hinsichtlich des Tabakkonsums erklären somit teilweise, warum Männer beispielsweise beim Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, von den Frauen «eingeholt» werden.

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Grundlagen und Erhebungen

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