Die Ausgaben für Sozialleistungen nehmen in der Schweiz tendenziell zu. Mit dem Wandel der Wirtschaft, der Bevölkerung und der Lebensweise verändert sich auch das System der sozialen Sicherheit. Schwankungen der Konjunktur oder bei der Arbeitslosigkeit können ebenfalls einen Einfluss auf die Veränderung der Sozialausgaben von einem Jahr zum nächsten haben.
1995 | 2005 | 2015 | 2020p | 2021p | 2022e | |
---|---|---|---|---|---|---|
Mrd. Franken (zu laufenden Preisen) |
85,6 |
123,9 |
168,3 |
206,4 |
207,3 |
207,8 |
Mrd. Franken (zu konstanten Preisen) |
96,1 |
132 |
175,1 |
212 |
212 |
207,8 |
In Franken pro Einw. (zu konstanten Preisen) |
13 700 |
17 800 |
21 300 |
24 600 |
24 500 |
23 800 |
e geschätzt Quelle: BFS - Gesamtrechnung der Sozialen Sicherheit (GRSS), Version 20.12.2023.
In der Schweiz
Rückgang der Sozialausgaben im Jahr 2022
2022 beliefen sich die Ausgaben für Sozialleistungen auf 207,8 Milliarden Franken, das sind 4,2 Milliarden Franken weniger als 2021 (–2,0%). Im Jahr 2020 hatten die Sozialausgaben vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie mit 212,0 Milliarden Franken einen historischen Höchststand erreicht. Der zwischen 2021 und 2022 registrierte Rückgang der Sozialausgaben um 4,2 Milliarden Franken ergibt sich aus gegensätzlichen Entwicklungen. Die Sozialausgaben im Bereich Arbeitslosigkeit (–7,4 Mrd. Franken) setzten ihren 2021 begonnenen Abwärtstrend auch 2022 fort und sie erreichten nahezu wieder das Vor-Corona-Niveau. Hauptgrund für diese Entwicklung sind die rückläufigen Ausgaben für Kurzarbeitsentschädigungen (KAE) der Arbeitslosenversicherung sowie für Corona-Erwerbsausfallentschädigungen nach dem Ende der Pandemie. Im Gesundheitsbereich nahmen die Ausgaben für Sozialleistungen um 2,1 Milliarden Franken zu, was unter anderem auf die höheren Leistungen aus der obligatorischen Krankenversicherung und die steigenden krankheitsbedingten Absenzen (Lohnfortzahlungen) zurückzuführen ist. Gleichzeitig sanken die Leistungen in Zusammenhang mit Tests und Impfungen praktisch auf das Vor-Corona-Niveau. |
Vor dem Hintergrund des Ukrainekonflikts und der Aufnahme von Personen mit Schutzstatus S stiegen die Ausgaben für Leistungen im Bereich soziale Ausgrenzung gegenüber 2021 um 0,4 Milliarden Franken (+10,5%).
Die Sozialleistungen in den wichtigsten Bereichen
2022 entsprachen die Ausgaben für das Alter 42,0% der gesamten Sozialleistungen. Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV; 43,9 Mrd. Franken) und die berufliche Vorsorge (39,2 Mrd. Franken) machten den grössten Teil der Altersleistungen aus (87,3 Mrd. Franken), insbesondere in Form von Renten. Auf die AHV und die berufliche Vorsorge entfiel auch die Mehrheit der gezahlten Hinterbliebenenleistungen: Diese Regime waren zusammen für 8,9 Milliarden Franken von den insgesamt für diesen Bereich aufgewendeten 9,7 Milliarden Franken verantwortlich.
An zweiter Stelle standen die Ausgaben im Bereich Krankheit/Gesundheitsversorgung (33,0%), die hauptsächlich vom Regime Krankenversicherung (KV) mit 33,4 Milliarden Franken erbracht wurden. Darauf folgten die Leistungen in den Bereichen Invalidität (8,0%), Familie/Kinder (5,8%) und Arbeitslosigkeit (3,2%). Die wichtigsten Regime in diesen drei Bereichen sind, in folgender Reihenfolge: Invalidenversicherung (8,7 Milliarden Franken), Familienzulagen (6,4 Milliarden Franken) und Arbeitslosenversicherung (6,0 Milliarden Franken).
Die Funktion «Soziale Ausgrenzung n.a.g..» umfasst verschiedene Geld- oder Sachleistungen für Personen, die mit mehrfachen oder dauerhaften Schwierigkeiten hinsichtlich Finanzen, Gesundheit, Sucht oder Arbeitsmarktintegration zu kämpfen haben. Nicht zu dieser Kategorie gehören Sozialleistungen, die sich klar einem anderen Bereich zuordnen lassen. In der Schweiz umfasst die Funktion «Soziale Ausgrenzung n.a.g» unter anderem einen Grossteil der Ausgaben für Sozialhilfe, für die Asyl- und Flüchtlingspolitik sowie für Opferhilfe.
Den bezahlten Urlaub im Krankheitsfall gibt es in zwei Formen: als Lohnfortzahlung (Regime der Lohnfortzahlungen OR) und als Taggeld (Regime der Krankenversicherung KV und der Taggeldversicherung VV). Diese Leistung belief sich im Jahr 2022 auf 12,7 Milliarden Franken. Die vollständigen Zeitreihen sind in der CSV-Datei der GRSS verfügbar.
Die Gesamtausgaben des Systems der sozialen Sicherheit umfassen nicht nur die Sozialleistungen, sondern auch Verwaltungskosten und weitere Ausgaben, die notwendig sind, damit das System die vorgesehenen Aufgaben erfüllen kann. Die Sozialleistungen machen rund 90% der Gesamtausgaben für die soziale Sicherheit aus. Aufgrund fehlender Informationen sind die Verwaltungskosten für einige Regime nicht aufgeführt.
In Europa
Inflation schmälert Kaufkraft der Sozialleistungen
Die Sozialleistungen zu konstanten Preisen nahmen in praktisch allen europäischen Ländern ab (Median: –3,5%). In der Schweiz (–2,0%) sowie in Frankreich (–1,8%) verringerten sie sich nur wenig, in den übrigen Nachbarländern, allen voran Österreich (–4,9%), Italien (–3,7%) und Deutschland (–3,6%), nahmen sie stärker ab. Trotz dieses rückläufigen Trends fielen die Sozialausgaben in Europa im Jahr 2022 noch immer 5,5% (Medianwert) höher aus als vor der Pandemie. In der Schweiz belief sich der Unterschied auf 6,7%. Für die im Jahr 2022 rückläufigen Sozialleistungen gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Zum einen hat sich die Wirtschaft nach der Covid-19-Pandemie weiter erholt, wodurch die Sozialausgaben im Bereich der Arbeitslosigkeit gesunken sind. Zum anderen trieben der Ukrainekrieg und die angespannte Lage auf dem Energie- und dem Lebensmittelmarkt die Preise generell nach oben, was den Realwert der an die Haushalte entrichteten Sozialleistungen schmälerte. Besonders hoch war die Teuerung in Osteuropa mit Inflationsraten im zweistelligen Bereich. |
Die Wanderungsbewegungen aus der Ukraine und aus anderen Teilen der Welt schlagen sich auch auf die Entwicklung der Sozialausgaben der Kategorien Wohnen und soziale Ausgrenzung nieder. Unter letztere fällt die Unterstützung der am stärksten benachteiligten Personen, einschliesslich der Geflüchteten. Die Sozialausgaben in den Bereichen Wohnen und soziale Ausgrenzung stiegen gegenüber 2021 sprunghaft an. In vielen ost- und südeuropäischen Ländern wie Lettland (+80,5%), Portugal (+59,9%) und Tschechien (+46,5%) erhöhten sie sich besonders massiv. Auch die Schweiz verzeichnete einen historisch starken Anstieg der entsprechenden Ausgaben (+4,3% in der Kategorie Wohnen und +10,5% in der Kategorie soziale Ausgrenzung). Dennoch machen die Sozialausgaben in diesen Bereichen weiterhin einen sehr kleinen Anteil der Gesamtausgaben für Sozialleistungen aus (Schweiz: 3,5%; Medianwert Europa: 3,0%).
In Rezessionsphasen, wie im Jahr 2020, geht die Wirtschaftsaktivität per Definition zurück. Gleichzeitig steigen die Ausgaben für Sozialleistungen, insbesondere für Arbeitslosigkeit. In Wachstumsphasen erholt sich das Bruttoinlandprodukt (BIP), während die Ausgaben für Sozialleistungen sinken. Aus wirtschaftlicher Sicht ist dies ein wichtiges Phänomen, da höhere Sozialleistungen in Rezessionsphasen die Einkommensverluste der Haushalte verringern, den Konsum stützen und so das Ausmass der Rezession selbst begrenzen. Sozialausgaben spielen somit eine stabilisierende Rolle für die Wirtschaft.
Unterschiede zwischen Ost und West
Die Regierungen und Sozialversicherungen der europäischen Länder schützen ihre Bevölkerung mit unterschiedlichen Sozialleistungen. Die Sozialausgaben der Länder variieren unter anderem je nach Wohlstand, Gesundheitszustand und Struktur der Bevölkerung. Die Länder mit den höchsten Sozialausgaben sind in Nord- und Westeuropa zu finden. In den osteuropäischen Ländern sind diese Ausgaben tiefer. Das Gefälle ist etwas weniger stark ausgeprägt, wenn die Sozialausgaben in Prozent des BIP ausgedrückt werden. Die Sozialleistungen in Europa beliefen sich 2022 auf 14 000 Schweizer Franken in Kaufkraftparitäten (CHF KKP) und pro Kopf (Median). Im europäischen Vergleich fielen die Sozialausgaben der Schweiz hoch aus (23 800 CHF KKP pro Kopf), vergleichbar mit anderen wirtschaftlich erfolgreichen Ländern wie Österreich, Deutschland oder Dänemark (bzw. 23 600, 23 000 und 22 500 CHF KKP). |
Die Sozialleistungen der Schweiz lagen mit 26,6% des BIP um 3,4 Prozentpunkte höher als der Median Europas (23,2% des BIP). In Prozent des BIP waren die Sozialausgaben der Nachbarländer allerdings noch höher als jene der Schweiz: 32,2% in Frankreich, 29,7% in Österreich, 29,6% in Italien und 29,2% in Deutschland.
Für aussagekräftige internationale Vergleiche werden die Finanzdaten wie folgt ausgedrückt:
1) in Schweizer Franken KKP pro Kopf: Mit der Kaufkraftparität (KKP) lassen sich Preisunterschiede zwischen den Ländern ausgleichen. In der Schweiz ist sie wie folgt definiert: 1 Franken = 1 CHF KKP.
2) in Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP): Der Anteil der Sozialausgaben am BIP zeigt das relative Gewicht dieser Ausgaben innerhalb der Volkswirtschaft.
Die Werte dieser beiden Messgrössen korrelieren stark, obwohl die relative Position der Länder je nach Indikator variieren kann.
Die Gesamtrechnung der sozialen Sicherheit (GRSS) basiert auf dem Europäischen System integrierter Sozialschutzstatistiken (ESSOSS) des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat). Die Ergebnisse der GRSS können von jenen der verwandten Statistiken abweichen (vgl. BFS 2022, GRSS – Überblick und Schlüsselbegriffe, Neuchâtel). Seit 2021 stellt Eurostat die Hauptindikatoren zu den Ausgaben für soziale Sicherheit in Europa bereits im Folgejahr (T+1) als early estimates zur Verfügung. Diese Schätzungen werden im Lauf des Folgejahres (T+2) revidiert und detaillierter präsentiert.
Weiterführende Informationen
Andere Statistiken zu den Finanzen der sozialen Sicherheit
Gewisse Aspekte der Finanzen der sozialen Sicherheit werden von anderen Statistiken, welche im Gegensatz zur GRSS auf nationalen Konzepten und Methoden basieren, für die Schweiz detailliert untersucht. Weitere Informationen finden Sie im PDF Dokument in den Grundlagen: Erhebungen > Gesamtrechnung der Sozialen Sicherheit > Methodologie.
- Gesamtrechnung der Sozialversicherungen (GRSV): Diese Statistik wird vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) erstellt und gibt über folgende Sozialversicherungen Auskunft: AHV, IV, EL, BV, KV, UV, EO, ALV und FZ.
- Finanzstatistik der Sozialhilfe im weiteren Sinn: Diese Statistik wird vom BFS erstellt und beschreibt die Nettoausgaben sowohl für die wirtschaftliche Sozialhilfe wie auch für andere, vorgelagerte bedarfsabhängige Sozialleistungen.
- Finanzstatistik der eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV): Die eidgenössische Finanzstatistik weist die öffentlichen Ausgaben im Bereich der sozialen Sicherheit für Bund, Kantone, Gemeinden und die öffentlichen Sozialversicherungen aus.
Die folgenden Statistiken decken gewisse finanzielle Aspekte der sozialen Sicherheit sowohl in der Schweiz als auch im internationalen Vergleich ab. Weitere Informationen finden Sie unter "Grundlagen und Erhebungen".
- Europäische System der integrierten Sozialschutzstatistiken (ESSOSS): Die GRSS ist die Umsetzung von ESSOSS in der Schweiz. Diese Statistik wird von Eurostat koordiniert.
- Social Expenditures Database (SOCX): Diese Statistik wird von der OECD in Zusammenarbeit mit Eurostat erstellt und weist die Ausgaben für die soziale Sicherheit der Mitgliedsländer der OECD aus.
- Government expenditure by function: Diese Statistik wird von der OECD publiziert und basiert auf internationalen Standards des IWF. Sie ermöglicht einen internationalen Vergleich der öffentlichen Finanzen einschliesslich der öffentlichen Ausgaben für die soziale Sicherheit.
- Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR): Basierend auf dem europäischen System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG 2010) zeigt diese Statistik die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Landes. Daraus lassen sich auch die wichtigsten Geldflüsse im Zusammenhang mit der sozialen Sicherheit erkennen.
- System of Health Accounts (SHA): Das System der Gesundheitskonten (englische Abkürzung ist SHA) ist eine Synthesestatistik über die Geldflüsse im Gesundheitsbereich.
Grundlagen und Erhebungen
Kontakt
Bundesamt für Statistik Sektion SozialhilfeEspace de l'Europe 10
CH-2010 Neuchâtel
Schweiz
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- +41 58 461 44 44