Soziale Mobilität

Von sozialer Mobilität in einer Gesellschaft spricht man, wenn die soziale Positionierung im Leben nicht davon abhängt, in welche Familie jemand geboren wird. Dagegen spricht man von sozialer Reproduktion, wenn der familiäre Hintergrund die eigene Situation massgeblich beeinflusst.
Im Zuge des EU-SILC 2019 Ad-Hoc Moduls intergenerationelle Übertragung von Benachteiligungen kann der Bildungsstand mit dem höchsten Ausbildungsniveau der Eltern und die finanzielle Situation des Haushalts mit der früheren finanziellen Situation des Elternhaushalts verglichen werden.

Intergenerationelle Mobilität und Reproduktion des Bildungsstands in der Schweiz

Insgesamt ist die soziale Reproduktion des Ausbildungsstands zwischen den Generationen nach wie vor stark ausgeprägt. In der Schweiz ist sie bei Personen mit einem tertiären Bildungsstand höher als bei Personen mit einem niedrigen Bildungsstand. Fast 30% der Personen zwischen 25 und 59, deren Eltern nur einen obligatorischen Abschluss erreichten, erreichten selbst keinen höheren Bildungsstand (Sekundarstufe II oder Tertiärstufe).

Bei den Personen, deren Eltern einen Bildungsabschluss auf Tertiärstufe haben, schlossen fast 70% ihre Ausbildung ebenfalls auf diesem Niveau ab. Nur knapp 28% erlangten einen Abschluss auf Sekundarstufe II und nur 2,6% erlangten einen obligatorischen Bildungsabschluss.
Die Wahrscheinlichkeit, einen tiefen Bildungsstand zu erlangen, ist bei Eltern mit obligatorischem Bildungsabschluss mehr als 10 Mal höher als bei Eltern mit einer tertiären Ausbildung.

Betrachtet man die Personen, deren Eltern ein Ausbildungsniveau auf Tertiärstufe haben, nach soziodemografischen Merkmalen, sieht man, dass die Reproduktion eines hohen Ausbildungsniveaus bei der jüngeren Generation höher als bei der älteren Generation der 46-59-Jährigen ist. Ebenfalls höher ist die Reproduktion eines hohen Ausbildungsniveaus bei ausländischen Personen und in dicht besiedelten Gebieten. Dagegen zeigt sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern.

Betrachtet man die Personen, deren Eltern ein niedriges Ausbildungsniveau haben, zeigt sich auch hier bei den ausländischen Personen eine höhere Reproduktion des Bildungsstands: 36,0% erlangten ebenfalls höchstens einen obligatorischen Bildungsabschluss, im Vergleich zu 15,2% bei den Personen mit schweizer Nationalität.
Die finanzielle Situation der Eltern, als die Person ungefähr 14 Jahre alt war, hat dagegen keinen Einfluss auf das Bildungsniveau.

Intergenerationelle Mobilität und Reproduktion des Bildungsstands in Europa

Im europäischen Vergleich verortet sich die Schweiz bei der Reproduktion eines hohen Bildungsniveaus von 69,6% etwa in der Mitte. In den Nachbarländern Österreich und Italien ist die soziale Reproduktion eines hohen Bildungsstandes etwas geringer (66,1%, bzw. 65,4%), in Frankreich etwas höher (75,2%). Das Land mit der höchsten Reproduktion eines hohen Bildungsstands ist Luxembourg mit 83,4%. Die tiefste Reproduktion in Europa hat Malta mit 56,6%.

Auch bei der Reproduktion eines niedrigen Bildungsniveaus liegt die Schweiz mit 27,2% im Vergleich mit den europäischen Ländern im mittleren Bereich. Italien und Österreich haben mit 44,5%, bzw. 28,0% eine höhere Reproduktion eines niedrigen Bildungsniveaus als die Schweiz, während Frankreich eine höhere Mobilität zugunsten eines mittleren und hohen Bildungsniveaus ausweist. Malta hat mit 69,1% die höchste soziale Reproduktion in Europa, Tschechien die geringste (8,0%).

Intergenerationelle Mobilität und Reproduktion der finanziellen Situation in der Schweiz

Ein weiterer Indikator für die soziale Mobilität ist die finanzielle Situation des Haushaltes. Dafür wird die finanzielle Situation der Personen mit der finanziellen Situation des Elternhaushaltes, als die Person ungefähr 14 Jahre alt war, verglichen.

Die soziale Mobilität in Bezug auf die finanzielle Situation des Haushaltes ist höher, wenn die finanzielle Situation der Eltern schlecht war, als wenn diese gut war.

52,2% der Personen, deren Elternhaushalt eine gute oder sehr gute finanzielle Situation hatten, leben in 2019 in einem Haushalt für den es einfach oder sehr einfach ist, über die Runden zu kommen. Im Gegensatz dazu leben weniger als ein Viertel der Personen, deren Elternhaushalt finanzielle Schwierigkeiten hatte (schlechte bis sehr schlechte Situation), selbst auch in einem Haushalt mit Schwierigkeiten oder großen Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen. Im Vergleich zu dem Ausbildungsstand ist die soziale Reproduktion zwischen den Generationen bei der finanziellen Situation weniger stark ausgeprägt.

Nach soziodemografischen Merkmalen zeigt sich, dass die Reproduktion einer guten oder sehr guten finanziellen Situation bei Schweizer/innen signifikant höher ist als bei Ausländer/innen. In der deutschen und rätoromanischen Schweiz reproduziert sich eine gute oder sehr gute finanzielle Situation deutlich häufiger als in der französischen und italienischen Schweiz.
Die Reproduktion einer schlechten oder sehr schlechten finanziellen Situation ist dagegen bei Ausländer/innen höher als bei Schweizer/innen.



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