Die Ausstattung einer Region mit Infrastrukturen und Dienstleistungen für Unternehmen und Bevölkerung ist ein massgeblicher Faktor der Wohn- und Wirtschaftsqualität dieser Region. Im Zusammenspiel sind sie für Standortentscheide und in diesem Sinne auch für die Ausprägung von regionalen Disparitäten, von Bedeutung.
Im ländlichen Gebiet sind für alle Dienstleistungsarten überdurchschnittlich lange Wege. Am nächsten liegen die Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, wobei eine Qualifizierung hinsichtlich Häufigkeit und Schnelligkeit der Verbindungen unterbleibt. Ebenfalls besonders gut erreichbar sind wiederum häufig aufgesuchte Betriebe wie Gaststätten sowie obligatorische Schulen oder Lebensmittelläden. Allerdings sind die Distanzen zu den zuvor genannten Dienstleistern im städtischen Gebiet rund halb so lang wie im ländlichen Raum. Noch grösser werden diese Disparitäten bei den – in der Regel seltener aufgesuchten – Angeboten im Kultur- oder Gesundheitsbereich. Und um eine Schule der Sekundarstufe II besuchen zu können, müssen Personen aus dem ländlichem Gebiet gar fünfmal so lange Wege zurücklegen wie solche aus dem städtischem Raum.
Kundennahe Dienstleistungen wie zum Beispiel obligatorische Schulen, Lebensmittelläden, Restaurants oder Cafés und (allenfalls selten bediente) Haltestellen des öffentlichen Verkehrs sind weit verbreitet. Rund 80% der Gemeinden mit mehr als 95% der Schweizer Bevölkerung verfügen zum Beispiel über mindestens einen Lebensmittelladen. Solche, im Alltag benötigte Dienstleistungsangebote sind im ländlichen Gebiet im Verhältnis zur Bevölkerung zahlreicher als in den übrigen Gebieten. Umgekehrt sind seltenere Angebote wie Einkaufszentren, Kulturstätten oder die Gesundheitsdienste Apotheken, Zahnarzt- und Arztpraxen im städtischen Raum dichter. Im intermediären Gebiet weisen die meisten Dienste eine geringere Dichte auf als im schweizerischen Durchschnitt. Offensichtlich besteht dort eine Tendenz, benötigte Dienstleistungen in den – oft nahe gelegen und als Arbeitsort gewählten – Kerngemeinden zu beziehen.
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Methodologie
Analyse der Dienstleistungen für die Bevölkerung - Methodik
Zu den ausgewählten Dienstleistungen zählen markt- und nichtmarktbestimmte, öffentliche und private Dienstleistungen und Infrastruktureinrichtungen, welche die Bevölkerung bei ihren alltäglichen oder gelegentlichen Aktivitäten in Anspruch nimmt. Die räumliche Verteilung der Dienstleistungen wird durch Betriebe- und Beschäftigtendichten (im Verhältnis mit der Bevölkerung) sowie durch den Anteil der versorgten Gemeinden analysiert. Die Erreichbarkeiten wurden auf der Basis des Schweizer Strassennetzes gemessen. Massgebend war die Distanz zwischen dem Zentrum jeder bewohnten Hektare und dem Standort des nächstgelegenen Dienstleisters. Die Distanz wurde durch die Wohnbevölkerung gewichtet. Das Schienennetz und die Verkehrsverbindungen über ausländisches Territorium wurden wegen methodischen Gründen nicht berücksichtigt.
Die Analyse berücksichtigt nur den Standort von Dienstleistern, jedoch weder die Attraktivität oder sonstige Qualitätsmerkmale des Angebots noch die tatsächliche Inanspruchnahme. Hauslieferdienste sowie Online-Dienste bleiben unberücksichtigt, ebenso der schriftliche oder elektronische Verkehr mit Banken oder Verwaltungsstellen. Solche Verteilkanäle gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Um die Statistik der Dienstleistungen für die Bevölkerung zu produzieren werden folgende Basisdaten benutzt:
- Dienstleistungen: BFS - Statistik der Unternehmensstruktur STATENT 2011, basierend auf der allgemeinen Systematik der Wirtschaftszweige NOGA 2008; die Betriebe werden auf Basis ihrer Hauptaktivität kodiert. Die Grundgesamtheit der STATENT umfasst die Betriebe, die der AHV-Beitragspflicht unterstehen (Unselbstständig-und Selbstständigerwerbende mit einem Jahreseinkommen von mindestens Fr.2300.-). Gewisse Dienstleister, insbesondere im Kulturbereich (z. B. Museen, Bibliotheken), erreichen diese Schwelle möglicherweise nicht und werden folglich nicht betrachtet. Ebenso bleiben Nebenaktivitäten unberücksichtigt, zum Beispiel ineinem Lebensmittelgeschäft angebotene Postdienste. Unterschiede zu anderen amtlichen Statistiken sind nicht ausgeschlossen.
- Bevölkerung: BFS - Statistik der Bevölkerung und der Haushalte STATPOP 2011
- Öffentlicher Verkehr - Haltestellen : ARE – elektronischer Fahrplan der Schweizerischen Transportunternehmungen (HAFAS); BAV – Didok Liste; ohne Gewichtung mittels Bedienungshäufigkeit
- Strassennetz: Swisstopo – topographisches Landschaftsmodell (swissTLM3D)
Abgrenzung der berücksichtigen Dienstleistungen auf Basis der allgemeinen Systematik der wirtschaftszweige NOGA:
- Ernährung: Lebensmittelgeschäfte 471101 bis 471105, 471901, 471902, 472100 bis 472902 (ohne Geschäfte mit Tabakwaren 472600); Bäckereien, Tea-rooms 472401, 472402
- Restaurants, Cafés : 561001, 561002, 563001, 551001
- Öffentliche Dienstleistungen: Öffentliche Verwaltung 841100; Öffentliche Sicherheit, Ordnung 842400; Postdienste 531000
- Gesundheit: Arztpraxen 862100, 862200; Zahnarztpraxen 862300; Allgemeinspitäler 861001 (in dieser Analyse konzentrieren wir uns auf die allgemeinmedizinischen Leistungen für die Mehrheit der Bevölkerung); Alters- und Pflegeheime 873001 und 871000; Apotheken 477300
- Bildung : Obligatorische Schulen 851000 bis 853101; Schulen, Sekundarstufe II 853102 bis 853200; Bildungsinstitutionen, Tertiärstufe 854201 bis 854203 (diese Gruppierung kann andere Einheiten als die Institutionen selbst enthalten)
- Garagen, Tankstellen: 452001, 452002, 454000, 473000
- Banken : 641902 à 641905, 641911, 641912
- Freizeit, Kultur: Buchhandlungen 476100; Kioske 476201; Kinos 591400; Bibliotheken 910100; Museen, historische Stätte 910200, 910300; Konzertsäle, Theater 900400; Fitness, Sportanlagen 931100, 931200, 931300
- Coiffeursalons : 960201
Dienstleistungen für die Bevölkerung - Grenzen von Analysen auf Niveau Gemeinde
Solche Analysen auf der Basis des Perimeters Gemeinden können als erste Annäherung an das Thema regionale Disparitäten betrachtet werden, denn es bestehen diverse methodische Hürden:
- Ob ein bestimmtes Angebot in einer Gemeinde vorzufinden ist, hängt nicht zuletzt auch von der Grösse des Gemeindeperimeters ab. Gerade in kürzlich fusionierten Gemeinden, beispielsweise in einer der drei Glarner Grossgemeinden, in den Gemeinden Val d’Anniviers oder Val de Travers, ist die Wahrscheinlichkeit einen bestimmten Service vorzufinden viel grösser als in einer Kleingemeinde.
- Das Fehlen eines Dienstleistungsangebots in einer Gemeinde braucht nicht zu bedeuten, dass dieses schlecht erreichbar ist. Ein solches könnte sich unweit der nahe gelegenen Gemeindegrenze befinden.
- Einzelne Dienstleistungen unterliegen kantonal unterschiedlich gestalteten Vorschriften. Beispielsweise dürfen Ärzte in einigen Kantonen selber Medikamente abgeben, so dass dort tendenziell auch weniger Apotheken vorzufinden sind.
Definitionen
Stadt/Land Typologie 2012 des BFS:
Die Stadt/Land-Typologie 2012 ist von der Gemeindetypologie 2012 mit 9 Kategorien abgeleitet (s. weiter oben), welche die Gemeinden der Schweiz nach Dichte-, Grösse- und Erreichbarkeitskriterien unterscheidet. Im Gegensatz zur vorhergehenden Stadt/Land-Typologie, die auf der Agglomerationsdefinition aus dem Jahr 2000 beruht, werden nicht zwei, sondern drei Typen unterschieden: Neben einer städtischen und einer ländlichen Kategorie gibt es auch einen Typ «intermediär», der sowohl städtische wie auch ländliche Merkmale aufweist. Dieser Ansatz erlaubt es, die heutigen Gegebenheiten auf angemessene Art und Weise abzubilden.
Die 3 Typen der Stadt/Land Typologie 2012:
1. Städtisch (urbane Zentren und Agglomerationsgemeinden)
2. Intermediär (dichter periurbaner Raum und ländliche Zentren)
3. Ländlich (Periurbane Gemeinden geringer Dichte und ländliche Gemeinden)
Kontakt
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