Szenarien 2022-2031 für die Sekundarstufe II – Lernende und Abschlüsse

Vorbemerkung: ukrainische Flüchtlinge

Die 2022 in die Schweiz gekommenen ukrainischen Flüchtlinge wurden bei diesen Arbeiten nicht berücksichtigt, da die Unsicherheiten zu deren Anzahl, Verteilung, Aufenthaltsdauer, Ausbildungsbedarf und Vorkenntnissen noch zu gross sind und daher momentan keine zuverlässigen Zahlen zu den künftigen Entwicklungen bereitgestellt werden können.

Neue Szenarien: markantes Wachstum der Zahl der Lernenden und der Abschlüsse in allen Bildungsgängen

Die am 9. September 2022 veröffentlichten BFS-Szenarien 2022-2031 für das Bildungssystem bestätigen, dass die Gesamtzahl der Lernenden der Sekundarstufe II, die seit 2014 leicht zurückgegangen ist, ab diesem Jahr wieder ansteigen und ihr Wachstum in den nächsten zehn Jahren fortsetzen dürfte.

Gemäss dem Referenzszenario wird die Gesamtzahl der Lernenden des ersten Jahres nach einer rückläufigen Tendenz von 2008 bis 2020 in den nächsten zehn Jahren kontinuierlich steigen (von 119 000 auf 138 000 Lernende zwischen 2021 und 2031; +16%). Diese Entwicklung hat hauptsächlich demografische Gründe. Je nach Bildungsgang dürfte der Wachstumsrhythmus allerdings unterschiedlich ausfallen: +14% in der beruflichen Grundbildung, +19% in den gymnasialen Maturitätsschulen und +27% in den Fachmittelschulen.

Die Zahl der Abschlüsse der beruflichen Grundbildung (EFZ und EBA) dürfte in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts wieder ansteigen (+8% zwischen 2025 und 2031). Die Anzahl Berufsmaturitäten, gymnasiale Maturitäten und Fachmaturitäten dürfte tendenziell über den ganzen Zeitraum 2021–2031 hinweg ansteigen (insgesamt +20%).

Bei der beruflichen Grundbildung ist in den einzelnen Bildungsfeldern mit stark unterschiedlichen Entwicklungen zu rechnen. Darüber hinaus unterscheiden sich die kantonalen Entwicklungen in allen Bildungsgängen teilweise markant vom gesamtschweizerischen Durchschnitt; dies ist auf das unterschiedliche Bevölkerungswachstum in den einzelnen Kantonen zurückzuführen.

Gesamte Sekundarstufe II

Erneuter Anstieg bei den Lernenden des 1. Jahres und bei den Abschlüssen

Während etwa zehn Jahren war die Gesamtzahl der Lernenden des 1. Jahres der vier Bildungsgänge der Sekundarstufe II[1] rückläufig (-3,4% von 2009 bis 2020). Angesichts der am Ende der Sekundarstufe I erwarteten Entwicklung und der Dynamiken an der Nahtstelle zur Sekundarstufe II hat sie gemäss dem Referenzszenario im Jahr 2021 wieder zugenommen (+0,5% auf 119 000 Lernende[2]). Über die restlichen Jahre des Jahrzehntes wird ein erneuter Anstieg erwartet (+16% von 2021 bis 2031). Auf Grund der Unsicherheiten einer solchen Übung wurden dazu zwei Alternativszenarien erarbeitet. Gemäss dem Szenario «hoch» würde der Zuwachs 20% erreichen; gemäss dem Szenario «tief» würde er sich auf 12% beschränken.

Von 2012 bis 2019 hat die Gesamtzahl der fünf Abschlusstypen der Sekundarstufe II[3] nur sehr leicht zugenommen (+1,8%). Auf Grund der Störungen durch die Covid-19-Pandemie stieg sie 2020 plötzlich um 2,7% und sank 2021 um 4,0% auf 107 100 Abschlüsse[4]. Gemäss dem Referenzszenario wird über die restlichen Jahre des Jahrzehntes ein erneuter Anstieg erwartet (+13% von 2021 bis 2031). Gemäss dem Szenario «hoch» würde der Zuwachs 22% erreichen; gemäss dem Szenario «tief» würde er sich auf 4% beschränken.

^{[1] Berufliche Grundbildung, gymnasiale Maturitätsschulen, Fachmittelschulen und Übergangsausbildungen Sek.I-Sek.II.}

^{[2] Die letzte verfügbare Erhebung betrifft die Lernenden des Jahres 2020 (Schuljahr 2020/21). Alle genannten Zahlen für das Jahr 2021 beziehen sich also auf die Ergebnisse des Referenzszenarios.}

^{[3] EFZ und EBA, Berufsmaturitäten, gymnasiale Maturitäten, Fachmittelschulausweise und Fachmaturitäten.}

^{[4] Die letzte verfügbare Erhebung betrifft die Abschlüsse des Jahres 2021. Alle genannten Abschlusszahlen für dieses eine Jahr beziehen sich darauf.}

Berufliche Grundbildung

Wiederanstieg bei den Lernenden des 1. Jahres, danach auch bei den Abschlüssen

Von 2011 bis 2020 ging die Zahl der Lernenden des 1. Jahres der beruflichen Grundbildung um 8,7% zurück. Gemäss dem Referenzszenario ist sie 2021 stabil geblieben (+0,2% auf 71 800 Lernende). Als Folge des demografischen Drucks aus der obligatorischen Schule (Zunahme der Bestände am Ende der Sekundarstufe I, siehe die entsprechenden Szenarien) wird ein Anstieg um 14% von 2021 bis 2031 erwartet. Gemäss Szenario «hoch» dürfte die Zunahme 22% erreichen, hingegen gemäss Szenario «tief» bloss 6%.

Von 2011 bis 2019 ging die Zahl der eidgenössischen Fähigkeitszeugnisse (EFZ) und Berufsatteste (EBA), die am Ende der beruflichen Grundbildung erteilt wurden, um 2,1% zurück. Auf Grund der Störungen durch die Covid-19-Pandemie stieg sie 2020 plötzlich um 3,2% und sank 2021 um 5,9% auf 66 100 Abschlüsse. Gemäss dem Referenzszenario dürfte sie bis 2025 stabil bleiben und danach wieder steigen (+8% von 2021 bis 2031). Diese Entwicklung ist durch diejenige der Zahl der Lernenden des 1. Jahres bedingt, wobei die etwa dreijährige Verzögerung die mittlere Ausbildungsdauer in diesem Bildungsgang widerspiegelt. Während gemäss Szenario «hoch» ein stärkeres Wachstum erwartet wird (+17% zwischen 2021 und 2031), dürfte gemäss Szenario «tief» die Zahl zuerst sinken und dann wieder auf den aktuellen Stand zurückkehren.

Berufsmaturitäten

Demnächst ein erneutes Wachstum

Die ersten Berufsmaturitätszeugnisse wurden 1994 erteilt und 20 Jahre lang stieg ihre Zahl fast stetig. Von 2014 bis 2021 war der Zuwachs jedoch minim (+2,0% auf 14 500 Abschlüsse), da bei den Ausrichtungen «Wirtschaft und Dienstleistungen» und «Technik, Architektur, Life Sciences» eine leichte Abnahme registriert wurde und nur noch die 2004 eingeführte Ausrichtung «Gesundheit und Soziales» noch stark wuchs.

Gemäss dem Referenzszenario dürfte ein erneutes Wachstum dank dem Zuwachs bei den Lernenden und den EFZ demnächst eintreten und von 2021 bis 2031 15% erreichen. Je nach Ausrichtung dürfte er ungleich ausfallen: +4% bei «Technik, Architektur, Life Sciences», +13% bei «Wirtschaft und Dienstleistungen» und +34% bei «Gesundheit und Soziales». Gemäss dem Szenario «hoch» würde der Zuwachs 26% erreichen; gemäss dem Szenario «tief» würde er sich auf 4% beschränken.

Gymnasiale Maturitätsschulen

Weitere Zunahme der Anzahl Lernende und Abschlüsse

Nach einer Phase starken Wachstums hat sich die Zahl der Lernenden des 1. Jahres der gymnasialen Maturitätsschulen von 2006 bis 2018 kaum entwickelt (-0,2%). Seither ist sie wieder gestiegen und 2021 betrug sie 24 100 Lernende (+5,4% von 2018 bis 2021). Als Folge der am Austritt aus der Sekundarstufe I erwartete Zunahme wird sich diese Dynamik fortsetzen und gemäss dem Referenzszenario zu einem Zuwachs von +19% von 2021 bis 2031 führen. Die Alternativszenarien «hoch» und «tief» umrahmen eng diese Erwartungen mit Anstiegen von 21% bzw. 17%.

Nach einigen Jahren mit moderatem Wachstum (+5,6% von 2012 bis 2020) dürfte die Zahl der gymnasialen Maturitätszeugnisse in den kommenden Jahren wieder deutlicher steigen. Dies weil sie mit einer drei- bis vierjährigen Verzögerung die Entwicklung der Zahl der Lernenden des 1. Jahres folgt, eine Zeitspanne, die der Ausbildungsdauer in diesem Bildungsgang entspricht. Das Referenzszenario rechnet mit einer Zunahme um 21% von 2021 (18 500 Abschlüsse) bis 2031 [1]. Wiederum umrahmen die Alternativszenarien «hoch» und «tief» eng diese Erwartungen (+25% bzw. +18%).

^{[1] Die vorübergehenden Abnahmen der Jahre 2017 und 2021 sind auf Änderungen der Ausbildungsdauer in den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft zurückzuführen. Sie haben keinerlei Einfluss auf die zukünftigen Entwicklungen.}

Fachmittelschulen

Sehr starke Zunahme der Anzahl Lernende und Abschlüsse

In den letzten Jahren hat die Zahl der Lernenden des 1. Jahres der Fachmittelschulen sehr stark zugenommen: +36% von 2012 bis 2021 (6 500 Lernende). Gemäss dem Referenzszenario wird das Wachstum von 2021 bis 2031 auf 27% geschätzt, während die Alternativszenarien «hoch» und «tief» auf 47% bzw. 7% kommen, eine Spannweite, die die grossen Unsicherheiten in diesem Bildungsgang widerspiegeln.

Die Abschlusszahlen haben hier ebenfalls sehr stark zugenommen: +32% von 2012 bis 2021 bei den Fachmittelschulabschlüssen (4 600), die am Ende des 3. Jahr erteilt wurden, und +55% bei den Fachmaturitätszeugnissen (3 400), die am Ende des 4. Jahr vergeben wurden. Gemäss dem Referenzszenario dürften sie bis 2031 nochmals um etwa 33% zulegen (53% bzw. 13% gemäss den Alternativszenarien «hoch» und «tief»).

Übergangsausbildungen Sek.I-Sek.II

Unsichere Entwicklung der Anzahl Lernende

Die Zahl der Lernenden des 1. Jahres der Übergangsausbildungen Sek.I-Sek.II hat im Laufe der Zeit entsprechend einer Reihe vorangehender Bestände geschwankt, wie zum Beispiel der Anzahl Schulabgänger oder der Anzahl Jugendlichen, die nach der obligatorischen Schule keine zertifizierende Ausbildung beginnen konnten. Sie hängt aber auch von Faktoren ab, die sich zum Teil nur schwer voraussagen lassen, zum Beispiel dem Ausmass der Migrationsbewegungen und der Verfügbarkeit passender Angebote wie Integrationsklassen.

Von 2000 bis 2007 nahm die Zahl um 29% zu, von 2007 bis 2012 um 7% ab, von 2012 bis 2017 wieder um 14% zu und schliesslich von 2017 bis 2021 um 11% wieder ab (16 600 Lernende). Gemäss dem Referenzszenario wird von 2021 bis 2031 ein Wachstum von 18% erwartet, aber die Alternativszenarien «hoch» und «tief» reichen von einem Anstieg um 34% bis zu einer Stabilität, was zeigt, wie schwer ihre zukünftige Entwicklung abzuschätzen ist.

Ergebnisse nach Bildungsfeld und nach Kanton

Unterschiedliche Entwicklungen

Die berufliche Grundbildung ist der zahlreichste Bildungsgang der Sekundarstufe II. Durch die Partnerschaft zwischen Schulen und Unternehmen, die ihren Höhepunkt im System der dualen Lehre findet, ist sie mit dem wirtschaftlichen Umfeld der Schweiz eng verbunden und bildet keinen homogenen Block. Sowohl die kurzfristigen Auswirkungen der Konjunktur wie auch die langfristigen Trends, die sich aus strukturellen Veränderungen wie Tertiärisierung, Digitalisierung und Robotisierung ableiten, wirken je nach Sektor verschieden auf sie. Um diese Vielfalt in den Szenarien zu berücksichtigen, wurden etwa 15 Bildungsfelder unterschieden[1]. Die differenzierte Modellierung der vergangenen Entwicklung der Lernendenzahlen der beruflichen Grundbildung führt zu kontrastreichen Ergebnissen.

Gemäss dem Referenzszenario dürften zwischen 2021 und 2031 die Zahl der Abschlüsse (EFZ und EBA) in Bildungsfeldern wie «Informatik und Kommunikationstechnologie» und «Sozialwesen» um mehr als 30% steigen. Am anderen Ende der Skala dürfte sie in Bildungsfeldern wie «Verarbeitendes Gewerbe und Bergbau» und «Architektur und Baugewerbe» stabil bleiben. Die Ergebnisse der Szenarien nach Bildungsfeld sollten aber mit Vorsicht betrachtet werden, denn sie lediglich den aktuellen Wissensstand widerspiegeln und noch zahlreiche Unsicherheiten bestehen, z.B. in Bezug auf die Entwicklung der Konjunktur.

Darüber hinaus unterscheiden sich die erwarteten kantonalen Entwicklungen in allen Bildungsgängen teilweise markant voneinander. Dies ist hauptsächlich auf die in den einzelnen Kantonen ungleichen Dynamiken am Ende der obligatorischen Schule zurückzuführen (siehe die Seite «Szenarien für die Lernenden der obligatorischen Schule»). So dürfte zwischen 2021 und 2031 die Gesamtzahl der Lernenden des 1. Jahres der Sekundarstufe II (alle vier Bildungsgänge) um 25% und mehr in den Kantonen AR, AI, ZH und SH steigen, aber in den Kantonen TI, UR, JU und NW leicht sinken.

Ergebnisse nach Grossregion, nach Kanton und nach Bildungsfeld stehen hier unten für alle Bildungsgänge und alle Szenarien in Form Tabellen und Datenwürfel zur Verfügung (Reiter «Daten»).

^{[1] Auf der internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED 2013) gestützt.}

Unsicherheiten

Eine systematische Analyse

Genauigkeit der Szenarien: Abweichungen zwischen den Referenzszenarien der letzten Jahre und den folgenden Erhebungen*
Horizont	1 Jahr	2 J.	3 J.	4 J.	5 J.
Berufliche Grundbildung
Lernende des 1. Jahres	1.5%	2.2%	3.6%	4.5%	5.5%
Lernende (Gesamtzahl)	0.8%	1.4%	1.7%	2.6%	3.6%
EFZ und EBA	2.0%	2.8%	3.9%	3.6%	4.8%
Berufsmaturitätszeugnisse	1.7%	1.0%	1.4%	1.4%	1.7%
Gymnasiale Maturitätsschulen
Lernende des 1. Jahres	1.1%	1.1%	1.5%	1.6%	1.8%
Lernende (Gesamtzahl)	0.7%	1.0%	1.2%	1.6%	1.8%
Gymnasiale Maturitätszeugnisse	0.9%	1.5%	1.7%	1.5%	2.0%

* MAPE (Mittlerer Absoluter Prozentualer Fehler) Quelle: BFS – Bildungsperspektiven
Stand: September 2022

Bei diesen Szenarien bestehen verschiedene Quellen für Unsicherheiten. Die demografische Entwicklung der Zahl der Lernenden am Ende der Sekundarstufe I kann als wichtigste Determinante mit grosser Zuverlässigkeit antizipiert werden (siehe die Seite der «Szenarien für die Lernenden der obligatorischen Schule») und liefert daher ein gemeinsames, solides Fundament für die drei Szenarien. Der Konjunkturverlauf ist hingegen heikler zu prognostizieren.

Aus statistischer Sicht lässt sich die bisherige Entwicklung der Zahl der Lernenden am Anfang der Sekundarstufe II anhand der geeigneten Modellierung der Veränderungen der Übergangsquoten nach der obligatorischen Schule erklären. Es bleibt jedoch offen, ob die bisher gemessenen tendenziellen und konjunkturellen Effekte in Zukunft gleichbleiben, sich schrittweise abschwächen oder plötzlich abbrechen werden. Die drei Szenarien des BFS dienen dazu, die Unsicherheiten im Zusammenhang mit diesen Möglichkeiten auszuleuchten und aufzuzeigen.

Um die Qualität der Szenarien zu kontrollieren, werden die Abweichungen zwischen den Ergebnissen der früheren Projizierungen und den neuen Erhebungen systematisch analysiert. Nach ca. 15 prospektiven Übungen betragen die auf Schweizer Ebene gemessenen MAPE fünf Jahre nach den letzten verfügbaren Beobachtungen weniger als 2% für die Lernenden des 1. Jahres, die Gesamtzahl der Lernenden und die Anzahl Abschlüsse der gymnasialen Maturitätsschulen sowie für die Berufsmaturitäten, 5,5%, 3,6% bzw. 4,8% in der beruflichen Grundbildung (vollständige Ergebnisse unter der Rubrik «Hypothesen» hier unten).

Weiterführende Informationen

Alle Tabellen zum Thema Szenarien für das Bildungssystem

Alle Publikationen zum Thema Szenarien für das Bildungssystem

Grundlagen und Erhebungen

Erhebungen