Insbesondere im wirtschaftlichen Bereich ist die Europäische Union (EU) der wichtigste Partner der Schweiz. Ebenso ist die Schweiz ein bedeutender Partner für die EU. Vor diesem Hintergrund sind die Schweiz und die EU daran interessiert, kohärente und vergleichbare Statistiken zu entwickeln, zu erstellen und zu verbreiten. Solche Statistiken liefern Informationen zu den jeweiligen Leistungen der Schweiz und der EU in bestimmten Bereichen (Preise, Volkswirtschaft, Verkehr, Aussenhandel, usw.) und ganz allgemein zu ihrer Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen der Globalisierung.
Bilaterales Statistikabkommen mit der Europäischen Union
Im Statistikbereich arbeiten die Schweiz und die EU seit Langem zusammen. Dank selbstbestimmten Massnahmen der Schweiz zur Vereinheitlichung der Statistiken erfolgte eine schrittweise – aber nach wie vor unvollständige – Angleichung der schweizerischen Statistiken an die Statistiken der EU. Diese informelle Zusammenarbeit hatte den Nachteil, dass die Schweiz in den für den Statistikbereich zuständigen Organen der EU (Ausschüsse, Arbeitsgruppen) nicht mitarbeiten konnte. In diesen Organen werden die strategischen Ausrichtungen und die Normen der EU im Statistikbereich erarbeitet. Die Abwesenheit der Schweiz in den betreffenden EU-Organen war ein Problem, da sich diese Ausrichtungen und Normen in zunehmendem Mass auf die Schweiz auswirkten.
Bereits im Jahr 1993 hielt der Bundesrat fest, dass es wünschenswert wäre, mit der EU ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich der Statistik abzuschliessen. Anlässlich des Abschlusses der «bilateralen Abkommen I» vereinbarten die Schweiz und die EU im Jahr 1999, Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss eines Abkommens im Bereich der Statistik aufzunehmen.Das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft [heute EU] über die Zusammenarbeit im Bereich der Statistik wurde am 26. Oktober 2004 unterzeichnet und trat am 1. Januar 2007 in Kraft. Es regelt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU im Statistikbereich und ist darauf ausgerichtet, eine umfassendere Vereinheitlichung zwischen den schweizerischen Statistiken und den EU-Statistiken zu gewährleisten.
Das Ziel besteht darin, die verschiedenen Bereiche der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU besser zu erläutern und nachzuverfolgen. Das Abkommen hat auch den Zweck, die Vereinheitlichung der schweizerischen Statistiken mit den statistischen Normen verschiedener internationaler Organisationen zu verbessern, bei denen die Schweiz Mitglied ist (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Organisation der Vereinten Nationen, Internationaler Währungsfonds, Weltbank).
Mit dem Abkommen ist für die Schweiz gewährleistet, dass ihre «eurokompatiblen» statistischen Daten zusammen mit den Daten der EU und ihrer Mitgliedstaaten sowie von Island, Liechtenstein und Norwegen von Eurostat (Statistisches Amt der EU) gespeichert, verarbeitet und verbreitet werden. Es gibt der Schweiz auch die Möglichkeit, in den Organen der EU (Ausschüsse, Arbeitsgruppen), in denen die strategischen Ausrichtungen und die Normen der EU im Statistikbereich erarbeitet werden, ohne Stimmrecht mitzuarbeiten. Im Gegenzug sichert das Abkommen der EU einen finanziellen Beitrag der Schweiz im Zusammenhang mit deren Teilnahme am Europäischen Statistischen Programm zu.
Mit dem Abkommen wurde zwischen der Schweiz und der EU eine internationale Zusammenarbeit in klassischem Sinne eingeführt. Dies bedeutet, dass das Abkommen keine Übertragung von Gesetzgebungs- und Entscheidungskompetenzen an eine supranationale Instanz vorsieht. Im Übrigen sind die Schweiz und die EU dafür verantwortlich, dass das Abkommen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsgebiet richtig angewandt wird. Das Abkommen wurde vorerst für eine Dauer von fünf Jahren abgeschlossen. Da es vor dem Ablauf dieses Zeitraums nicht gekündigt wurde, wurde es auf unbefristete Dauer verlängert. Das Abkommen kann jederzeit gekündigt werden.
Das Abkommen wird von einem Statistikausschuss Schweiz – EU (gemischter Ausschuss) verwaltet, der bei Bedarf zusammentritt und sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Schweiz und der EU zusammensetzt. Der gemischte Ausschuss gibt Empfehlungen ab und fasst in gegenseitigem Einvernehmen zwischen der Schweiz und der EU Beschlüsse, insbesondere um die Anhänge des Abkommens zu ändern und um die statistischen Jahresprogramme Schweiz - EU festzulegen. Die Beschlüsse des gemischten Ausschusses haben für die Schweiz und die EU zwingenden Charakter.
Für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung von europäischen Statistiken durch die Schweiz und die EU gelten verbindliche Grundsätze: Unparteilichkeit, Verlässlichkeit, Objektivität, Unabhängigkeit, Anstreben des bestmöglichen Kosten-Nutzen-Verhältnisses, Statistikgeheimnis, Begrenzung des Aufwands für die Datenlieferanten. Diese Grundsätze werden in einem Verhaltenskodex für europäische Statistiken weiter ausgearbeitet, der für die Schweiz und die EU empfehlenden Charakter hat.
Die Grundlage für die Zusammenarbeit im Bereich der Statistik zwischen der Schweiz und der EU bildet gemäss dem Abkommen die Gesetzgebung der EU im Statistikbereich mit allfälligen besonderen Anpassungen und Ausnahmen für die Schweiz
Die Rechtsvorschriften der EU im Bereich der Statistik, die für die Schweiz verbindlich sind, sind in Anhang A des Abkommens aufgeführt. Abgedeckt sind die folgenden Statistikbereiche:
Unternehmensstatistik
Verkehrs- und Tourismusstatistik
Aussenhandelsstatistik
Statistische Grundsätze und Geheimhaltung
Bevölkerungs- und Sozialstatistik
Wirtschaftsstatistik
Nomenklaturen
Landwirtschaftsstatistik
Energiestatistik
Umweltstatistik
Folgende Stellen sind in der Schweiz für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung von europäischen Statistiken zuständig:
Bundesamt für Statistik (nationale statistische Stelle)
Staatssekretariat für Migration
Eidgenössische Finanzverwaltung
Eidgenössische Zollverwaltung
Eidgenössische Finanzmarktaufsicht
Staatssekretariat für Wirtschaft
Bundesamt für Landwirtschaft
Bundesamt für Strassen
Schweizerische Nationalbank
Schweizerischer Bauernverband
Die Schweiz übernimmt alle Kosten, die mit ihrer Teilnahme am Europäischen Statistischen Programm verbunden sind. Seit dem Inkrafttreten des Abkommens am 1. Januar 2007 überweist sie der EU zu diesem Zweck einen jährlichen finanziellen Beitrag von rund 4 Millionen Euro. Die finanziellen Bestimmungen, die für die Zusammenarbeit im Bereich der Statistik zwischen der Schweiz und der EU gelten, sind in Anhang B des Abkommens aufgeführt.
Die Anwendung des Abkommens erfordert seitens der Schweiz einen Ausbau ihres statistischen Instrumentariums auf Bundesebene, damit sie das Volumen und den von der EU vorgegebenen Rhythmus der Entwicklung, Erstellung und Verbreitung von Statistiken bewältigen kann. Zu diesem Zweck wurden der Bundesstatistik zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Es wurden Projekte zur Modernisierung der Bundesstatistik lanciert. Die Zunahme des Arbeitsaufwands für die Erstellung von Statistiken wird für die Datenlieferanten im Rahmen des Möglichen durch Anpassungen und Ausnahmen, welche mit der EU ausgehandelt und im Abkommen festgelegt wurden, in Grenzen gehalten. Weitere Massnahmen zu diesem Zweck sind eine bessere Nutzung der Verwaltungsdaten und ein Ausbau der Funktion des Bundesamtes für Statistik (BFS) im Bereich der Koordination.